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Thema | Juli / August 2023


Berge versetzen

«Lasst uns Berge versetzen auf unserem Pfad», singt Bligg. Wie dies möglich ist? Ganz einfach: «Was wir alleine nicht schaffen, schaffen wir gemeinsam.». «Gemeinsam» ist für den Schweizer Musiker das Unmögliche möglich. Im Neuen Testament spricht Jesus auch von «Berge versetzen». Anscheinend ist, was wir alleine nicht hinkriegen, durch den Glauben an den dreieinen Gott ein Kinderspiel. Doch davon sehe ich oftmals nicht so viel. Habe ich etwa zu wenig Glauben?



Viel hilft viel
Es gibt sie immer wieder. Diese Momente, in denen der sportliche Aussenseiter den Favoriten bezwingt. Im Schweizer Cup, an Olympia oder in der Champions League. Überragende Leistungen von Aussenseitern lassen uns aufhorchen. Normalerweise ist die Menge spielentscheidend. Wer mehr lernt, schreibt die bessere Note. Wer mehr Stimmen erhält, wird gewählt. Wer bessere Qualifikationen aufweist, erhält die Stelle. Wer mehr betet, wird erhört. Aber ist die Anzahl Gebete tatsächlich entscheidend?

Viel hilft nicht viel
In Matthäus 17 wird uns ein verzweifelter Vater beschrieben, der von den Jüngern von Jesus Hilfe für seinen schwerkranken Jungen erbittet. An dieser Stelle steht einer der schmerzhaftesten Sätze der Bibel: «Sie konnten ihm nicht helfen» (Matthäus 17,16). Der Vater sieht den letzten Hoffnungsschimmer verglühen. Jede Hoffnung zerschmettert. Jedes Gebet nutzlos. Der Sorgenberg bleibt an seinem Platz. War sein Glaube zu klein? Oder derjenige der Jünger?

Jesus greift ein
Doch die Geschichte endet nicht in dieser Hoffnungslosigkeit. Nun erhält sie eine neue Hauptperson und eine Wende: Jesus. Er nimmt sich dem Jungen an und sogleich wird dieser gesund. Die Jünger waren logischerweise ziemlich perplex. Denn, während sie den Jungen hilflos seinem Schicksal überlassen mussten, veränderte ihr Rabbi dessen Leben in einem Augenblick. Als die Jünger später allein mit Jesus sind, fragen sie ihn, weshalb sie den Jungen nicht heilen konnten. «Er antwortet ihnen: Wegen eures Kleinglaubens! Denn, amen, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senf-korn, werdet ihr zu diesem Berg sagen: Bewege dich von hier nach dort, und er wird sich wegbewegen; und nichts wird euch unmöglich sein.» (Matthäus 17,21 ZB).

Berge versetzen?!
Zur Zeit von Jesus war der Ausdruck «Berge versetzen» sprichwörtlich. Wenn eine Person Unmögliches möglich machte, war sie ein «Bergeversetzerin». So sagte man dies beispielsweise über Gelehrte, welche die Geheimnisse der alten jüdischen Texte lösen konnten. Jesus geht es also nicht darum, dass ich wortwörtlich dem Zürcher Uetliberg befehle, sich nach Bern zu verschieben. Nicht auszudenken, wie häufig uns Schweizern bereits das Matterhorn weggenommen worden wäre. Oder spricht Jesus von den Sorgen-Bergen meines Lebens? So dass sich die Berge meines Lebens durch ein einfaches Stossgebet in Luft auflösen? Doch die Aussage von Jesus ist nicht einfach ein Wunschfreipass, stets zu erhalten, was ich mir gerade wünsche. 

Christsein löst nicht alle Probleme
Paulus heilte andere Menschen, litt aber selbst sein Leben lang an einem nicht näher definierten,  quälenden Leiden (2. Korinther 12,7). Ein Mitarbeiter von Paulus, Timotheus, war so häufig krank, dass der Apostel ihm empfiehlt, ab und zu ein Glas Wein zu trinken (1. Timotheus 5,23). Und ein weiterer Mitarbeiter des Paulus, Epaphroditus, war todkrank. Gott geht es also nicht darum, uns ein gemütliches Leben mit Kaminfeuer, Wolldecke und Punsch zu schenken. Die Geschichte des geheilten Jungen beweist: Gott kann heilen. Gott kann Wunder tun. Gott kann Unmögliches möglich machen. Aber Gottes primäres Ziel ist es nicht, uns Gesundheit und einfache, gemütliche Lebensumstände zu schenken. Die Bibel ist deutlich: Als Nachfolger und Nachfolgerinnen von Jesus werden wir verfolgt und müssen leiden (z.B. Matthäus 5,10; Johannes 15,18). Gottes primäres Ziel ist es, dass wir in einer Beziehung zu ihm stehen und dadurch ewiges Leben haben.

Vertrauen – Misstrauen
Der dänische Theologe und Philosoph Sören Kierkegaard schrieb deshalb, dass es aus christlicher Perspektive keine Krankheit zum Tode gibt. Dies bedeutet: Selbst wenn ein Christ biologisch stirbt, wird er ewig leben. Aber um dieses Geschenk zu erhalten, muss zunächst die Beziehung zwischen Mensch und Gott wiederhergestellt werden. Beziehung hängt eng mit Vertrauen zusammen. Gott wünscht sich, dass wir ihm mehr als unserer Familie und politischen Parteien vertrauen. Misstrauen gegenüber Gott prägt seit Adam und Eva die Menschheitsgeschichte. Dieses Misstrauen ist der Berg, den Jesus beseitigen will. Das Misstrauen, ob Gott es tatsächlich gut mit uns meint. Das Misstrauen, ob die Gebote Gottes tatsächlich gut für uns sind.

Kleinglauben und Unglauben
In Matthäus 17,21 wirft Jesus seinen Jüngern vor, dass sie nur einen Kleinglauben hätten. Stattdessen sollten sie einen Glauben so gross wie ein Senfkorn (∅ 1–2mm) haben. In der Antike galten Senfkörner sprichwörtlich als die kleinsten Samen. Der Glaube der Jünger war kleiner als ein Senfkorn. Die Jünger hatten also gar keinen Glauben mehr. Kleinglauben ist in diesem Text folglich einem Unglauben gleichzusetzen.

Der vertrauenswürdige Gott
Es geht hier also nicht um die Quantität unseres Glaubens. Sondern um die Qualität. Wenn derjenige, dem wir vertrauen, schwach ist, dann bringt auch das grösste Vertrauen nichts. Aber wenn derjenige, dem wir vertrauen, stark ist, dann haben wir gewonnen, unabhängig davon, wie gross unser Glaube ist. Folglich hängt ein erfolgreicher Glaube davon ab, wie fähig derjenige ist, an den ich glaube. Der gesamte biblische Bericht weist uns darauf hin, dass der christliche Gott unglaublich vertrauenswürdig ist. Deswegen lohnt es sich, ihm zu vertrauen, ihm zu glauben, auch wenn wir sein Handeln im Moment nicht verstehen können. Der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli schreibt, dass der Glaube dann beginnt, wenn wir an uns selber verzweifeln und stattdessen einsehen, dass wir allein Gott vertrauen sollen (Zwingli, Schriften III, 232). Wir benötigen also keinen grossen Glauben. Sondern einen Glauben so klein wie ein Senfkorn in den einen und allmächtigen Gott genügt.

Kein mächtiger Glaube, aber ein mächtiger Gott
Daher sagt dir der christliche Glaube niemals wie viele Minuten, Stunden oder Tage du beten musst, bis Gott hört. Es ist niemals deine Leistung, dass ein Gebet erhört oder nicht erhört wird. Liebe Leser und Leserinnen, wir benötigen keinen mächtigen Glauben, sondern einen mächtigen Gott! «Was wir alleine nicht schaffen, schaffen wir gemeinsam mit Gott. So werden Berge versetzt.»